03.09.2014 Meran – Bozen

38 km – Höhenmeter nicht erwähnenswert (alles nur runter)

In der Nacht und am Morgen regnet es. Ich habe gar keine Lust aufzustehen, so drehe ich mich noch einmal um und schlafe bis halb neun. Was ist los mit mir? Ich kann sonst nicht wirklich so lange schlafen. Aber bei diesem Wetter ist es ja auch keine Schande… Ganz gemütlich packe im Trockenen meine Sachen und bis das erledigt ist, hat es auch bereits aufgehört mit dem Regen. Welches Glück ich doch habe.

Um 10.00h stehe ich an der Rezeption, bezahle meine Nacht und fahre in die Innenstadt. In der Fussgängerzone schiebe ich mein Velo, fahren ist ja auch nicht erlaubt. Und bei diesen Leuten hätte dies auch keinen Sinn. Auf und ab spaziere ich, bestaune die Gassen und Lauben ohne dabei aber richtig ins Schwärmen zu kommen. Zum Shoppen wäre es hier wohl nicht ganz so übel, aber ich kann ja nicht noch mehr Gepäck aufladen und so verlasse ich nach ca. 1 Stunde die Stadt in Richtung Bozen. Der Veloweg von gestern geht weiter, also nicht auf der viel befahrenen Strasse sondern neben Apfelplantagen, welche mich heute den ganzen Tag begleiten, Eisenbahn und Autobahn. Da ich immer noch an Höhe verliere geht es ohne grossen Kraftaufwand vorwärts. Der Rückenwind von gestern habe ich zwar nicht mehr, aber es ist ok so wie es ist.

Während der Fahrt komme ich ins Studieren, der gesuchte Effekt, sich auf einer Solo Tour selbst zu finden setzt ein. Ich überlege mir wie glücklich ich bin und was ich eigentlich hier machen darf. Doch der Glückseffekt setzt nicht wirklich ein, eher das Gegenteil ist der Fall. Ich vermisse meine Familie mit denen ich plaudern und das Erlebnis teilen kann. Ich habe mir eine Tour ganz alleine schon lange gewünscht und die letzten beiden Tage habe ich auch in vollen Zügen genossen. Doch hier im total besiedelten und bewirtschafteten Tal fehlt mir etwas. Es ist zwar ein wunderschönes Tal, doch irgendwie fehlt mir die Abgeschiedenheit und was ich nun auch weiss, ich brauche irgend ein Ziel. Ich kann nicht planlos in der Gegend herum kurven, ich muss ein Ziel, eine Herausvorderung vor Augen haben. Eigentlich ist es ja genau wie im sonstigen Leben… Tja, und so befinde ich mich auf meinem Selbstfindungs-Trip…

So genug philosophiert oder sich selbst finden. Ich habe heute zwar nicht viel Aufregendes erlebt, aber dennoch ist der Tag nicht einfach so an mir vorbei gezogen. Ich fahre so vor mich hin bis ich plötzlich merke, dass ich heute ja noch gar nichts gegessen habe. Und es ist bereits kurz vor Mittag. Also biege ich bei der nächsten Ausfahrt aus dem Veloweg in ein Dörfchen ein – ich erinnere mich nicht mehr an den Namen – und suche den nächsten Einkaufsladen. Auf der einen Strassenseite sehe ich die Metzgerei und will schon dort rein, dann überlege ich kurz und denke, dass wohl im kleinen Allerweltsladen mehr zu holen ist als beim Fleischer. Der Laden, und auch die gegenüberliegende Metzgerei, schliessen um 12.00h und beim 12ten Schlag im Kirchturm betrete ich den Laden. Tatsächlich finde ich hier Teigwaren, etwas zum Trinken und noch einen feinen Gorgonzola-Käse. Ich habe im Sinn, mir ein warmes Mittagessen an der Sonne zu brutzeln, so wie ich mir das immer vorgestellt habe. Also fahre ich ein paar Kilometer weiter, wieder auf dem Radweg, bis ich ein geeignetes Plätzchen finde. Hier wird gekocht und geschlemmt. Natürlich haben meine Augen einen grösseren Hunger als mein Magen. Die Pfanne ist fast voll mit Teigwaren und schon nach ca. 1/3 hat mein Magen genug. Ich werfe nicht gerne Essen weg, denke aber an den Fuchs, der heute Abend mal was anderes auf seiner Speisekarte finden wird. So hält sich mein schlechtes Gewissen im Bereich des Erträglichen.

Die Fahrt geht weiter auf dem Radweg bis Bozen. Dort suche ich den Campingplatz – oder lasse ihn auf meinem Navi suchen. Ohne Umwege führt mich dieses kleine Gerätchen dort hin und obschon auf dem Schild „completo“ steht, kriege ich noch einen Platz für mein Zelt. Die Zelte der Radfahrer und Wanderer kreuzen ihre Zeltschnüre, so eng sind wir gepfercht. Aber alles kein Problem, nebenan wartet der wunderbare Swimming-Pool oder das schöne Beizchen.

Nachdem ich das Zelt gestellt habe, gönne ich mir eine Erfrischung im Pool, eine schöne Dusche und eine feine Rasur. Die stinkigen Kleider werden gewaschen und schon bald mache ich mich auf nach Bozen in die Stadt. Dort sind meine Eltern einquartiert und ich werde sie heute Abend besuchen. Das Navi bringt mich auf direktem Weg in die Hotelbar, wo mir ungefragt ein wunderbares Apéritivo serviert wird. Zusammen mit einem Weizenbier – eine Symphonie!

Mami und Papi erscheinen 3/4 Stunden später, sie kommen direkt von einem Ausflug an den Gardasee. Wir geniessen zusammen das Apéro und spezieren zur nächsten Pizzeria, welche uns empfohlen worden ist. Dort sind wir die einzigen Gäste – nicht immer ein gutes Zeichen. Doch wie es sich herausstellt, werden dort aufgrund der vielen Industrie rund herum, mehr Mittagessen serviert als Abendessen. Draussen auf der grossen Terrasse geniessen wir einen Salat und feine Pizzen, natürlich begleitet mit einem Rotwein, Lagrain aus der Region. Abgeschlossen wird mit einem Café Corretto. Herrlich, ich geniesse den Abend extrem und bin froh, ein bisschen plaudern zu können. Mami und Papi, vielen Dank für den schönen und gemütlichen Abend!

Um 22.00h mache ich mich auf den 5 km Heimweg, natürlich in der Finsternis. Mein Navi führt mich direkt zurück, doch am Tag warteten da keine kurz bekleidete und hochstehende – also ich meine in der Höhe stehende – Highheals-Mädchen. Aber das Navi führt an diesen vorbei und rät nicht zu einem Zwischenhalt. So bin ich bald wieder auf dem ruhigen und schönen Campingplatz, wo ich diese paar Zeilen schreibe. Nun will ich noch mein Tagesziel für morgen definieren, so dass ich guten Mutes und mit viel Motivation in den Tag starten kann.

Also, gute Nacht und bis bald – mir geht es gut…